Interview mit Mirjam Gerber, Praktikantin bei healthy3 und Ernährungsberaterin i.A.
Mirjam du bist jetzt im 6. Semester und hast bald dein Studium im Bereich Ernährung und Diätetik an der Berner Fachhochschule abgeschlossen, wie lautet der Titel deiner Bachelorarbeit und worum geht es?
Mirjam: Der genaue Titel meiner Arbeit steht noch nicht fest. Meine Kommilitonin und ich stellen uns die Frage, zu welchen spezifischen Themen es im Bereich der nachhaltigen Ernährung für ErnährungsberaterInnen Hilfsmittel braucht, damit sie KlientInnen zu diesem Thema kompetent informieren und sensibilisieren können. Denn eine fachkompetente Ernährungsberatung kann eine wichtige Unterstützung sein, wenn es darum geht Ernährungsentscheidungen unter Einbezug möglichst vielfältiger Aspekte bezüglich Gesundheit und Nachhaltigkeit abzuwägen. Zudem interessiert uns, wie ein solches Hilfsmittel konkret aussehen soll.
Eine nachhaltige, zukunftsfähige Ernährung, die sich nicht nur positiv auf die Gesundheit, sondern auch auf die Umwelt und das Klima auswirkt, geht mit einer Reduktion tierischer Lebensmittel, insbesondere von Fleisch und Fleischprodukten einher. Ein Freund von mir ist 38, isst jeden Tag Fleisch oder Fleischprodukte und möchte gerne seinen Fleischkonsum reduzieren. Er hat aber Mühe mit der Umsetzung im Alltag. Was würdest du ihm als angehende Ernährungsberaterin empfehlen?
Mirjam: Ich würde ihm folgende Empfehlungen geben:
- Reduzieren Sie Ihren Fleischkonsum schrittweise und lassen Sie sich Zeit mit der Umsetzung.
- Essen Sie nicht öfters als 2-3 Mal pro Woche Fleisch inkl. Fleischprodukte. Eine Portion sind 100-120 Gramm, das entspricht etwa einem Stück Fleisch in der Grösse Ihrer Handfläche, ohne Ihre Finger. Von der Menge her sind das z.B. 1-2 Pouletflügel oder eine Bratwurst.
- Beobachten Sie wie viel Portionen Fleisch und Fleischprodukte Sie im Alltag essen. Wann und wo greifen Sie zu Fleisch und Fleischprodukten? Denken Sie dabei auch an die Salami auf dem Sandwich, den Speck im Salat oder den Aufschnitt zum Apéro.
- Reduzieren Sie zunächst das «versteckte Fleisch»: Ersetzen Sie die Speckwürfel im Salat mit einer Kernen-Samen-Nuss-Mischung, wählen Sie unterwegs das Sandwich mit gegrilltem Gemüse oder Humus anstelle von Salami, greifen Sie beim Apéro zu den Nüssli statt zum Aufschnitt etc.
- Wählen Sie auswärts – z.B. im Restaurant, beim Take-away oder in der Kantine – das Menü oder das Sandwich ohne Fleisch.
- Legen Sie für sich selbst fest, an welchen Wochentagen Sie ganz bewusst kein Fleisch essen möchten.
- Es kann auch helfen, sich mit Freunden oder Familienmitgliedern ein gemeinsames Ziel zu setzen. Bestimmen Sie beispielsweise gemeinsam Wochentage, an denen Sie kein Fleisch essen und teilen Sie untereinander Ihre vegetarischen Ideen und Lieblingsrezepte aus.
- Manchen fällt es einfacher, die Portionsgrösse nach und nach zu verkleinern.
Worauf muss er achten, damit er auch ohne Fleisch ein ausgewogenes Gericht zubereiten kann?
Mirjam: Es ist wichtig, dass das Fleisch in den Gerichten nicht einfach weggelassen, sondern durch unterschiedliche Proteinlieferanten wie z.B. Hülsenfrüchte, Tofu, Seitan, Eier, Milchprodukte… ersetzt wird. Als praktische Hilfestellung kann man sich auf einem Teller ein Y vorstellen. Das obere Fünftel des Tellers sollte aus einem Proteinlieferanten bestehen. Ca. 2/5 des Tellers bestehen optimalerweise aus einer Stärkebeilage wie z.B. Teigwaren, Kartoffeln, Reis, Hirse, Gerste, Dinkel, Quinoa, Vollkorngetreideprodukte wie Brot oder auch Hülsenfrüchte und auf die restlichen 2/5 des Tellers kommt Gemüse und Salat. Eine gute Grundlage bietet das vegetarische Tellermodell der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE.
Auch das immer grösser werdende Angebot pflanzenbasierter Alternativen zu Fleisch, wie z.B. fleischlose Burger aus Pilzeiweiss oder Poulet-Imitate aus Erbsenprotein bietet eine einfache Möglichkeit das Fleisch zu ersetzen. Die Produkte sind vom Geschmack und der Textur her meist sehr ähnlich wie Fleisch, sie lassen sich einfach zubereiten und sie liefern unserem Körper hochwertiges Eiweiss. Es empfiehlt sich jedoch auf die Zutatenliste zu achten, denn viele Fleischersatzprodukte sind hochverarbeitet und enthalten oftmals Fett, Salz, Zucker und Verdickungsmittel oder Strukturgeber. Je kürzer die Zutatenliste desto besser.
Zudem hilft es, möglichst vielfältig und abwechslungsreich zu essen und Freude an der Entdeckung neuer Gerichte ohne Fleisch zu wecken. Hier gibt es online und in Kochbüchern zahlreiche vegetarische und vegane Rezeptideen als Inspiration.
Worauf sollte er beim Fleischkonsum achten, wenn er nicht nur sich, sondern auch der Umwelt Gutes tun, aber nicht vollständig auf Fleisch verzichten möchte?
Mirjam: Hier würde ich ihn auf folgende 3 Handlungsfelder hinweisen:
- Die Mengenempfehlung einhalten: Halten Sie sich an die Empfehlung und esse Sie maximal 2-3 Mal pro Woche Fleisch inkl. Fleischprodukte, damm können Sie Ihren ernährungsbedingten ökologischen Fussabdruck bereits um rund 18% senken.
- Auf Herkunft und Produktion achten: Weiter empfiehlt es sich beim Kauf von Fleisch und Fleischprodukten auf Schweizer Herkunft sowie auf Label zu achten oder direkt beim Produzenten einzukaufen und sich über Fütterung und Haltung der Tiere zu erkundigen. Achten Sie beim Fleisch von Wiederkäuern auf Weidehaltung, z.B. Weide-Beef. Wenn Sie Fleisch und tierische Produkte wie Eier mit dem Bio-Knospe-Label wählen, können Sie zudem sicher sein, dass sämtliches zusätzlich importiertes Futter aus Europa stammt und gemäss Bio Suisse Richtlinien angebaut und zertifiziert ist. Weitere Informationen zu den Labeln rund um Fleisch finden Sie auf labelinfo.ch > Lebensmittel > Fleisch
- Abwechseln und Verschwendung vermeiden: Wechseln Sie zwischen den verschiedenen Fleischsorten (Tierarten) und Fleischstücken ab und wählen Sie nicht nur sogenannte «Edelstücke» wie Pouletbrust oder Filet. Zum einen weisen die verschiedenen Sorten und Fleischstücke einen unterschiedlichen Nährwertgehalt auf. Zum anderen sorgen sie damit für eine ganzheitlichere Fleischverwertung und tun aktiv etwas gegen Food Waste. Denn gerade die Verschwendung von tierischen Lebensmitteln generiert einen immensen Ressourcenverbrauch. Einen weiteren Beitrag können Sie leisten, indem sie gerade bei leicht verderblichen Produkten wie Fleisch oder Fisch nur so viel einkaufen, wie Sie wirklich brauchen.
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